Donnerstag, 29. April 2010

Strickende Männer


Der Titicacasee gehört zu den höchstgelegenen Gewässern der Welt. Auf 3800 Metern gelegen ist der See Zentrum der Inkakultur, aber auch andere Völker, besonders die Aymara, sind hier zuhause. Wir besuchten sowohl von Bolivien als auch von Peru aus zwei Inseln. Auf der bolivianischen Seite liegt die Sonneninsel, wo die Sonne und auch der erste Inka, Sohn der Sonne, geboren worden sein sollen. Von Puno, Peru, aus fuhren wir zur Insel Taquile. Auf dieser Insel ist textiltechnisch eine Besonderheit tief in der Kultur der Quechua sprechenden Bevölkerung verankert: Hier stricken die Männer! Sie stellen wunderbare Mützen ("Chulos" oder "Chullos") her, und sie tun dies mittels einer interessanten Technik, die ich mir zurzeit selber beibringe. Im Prinzip handelt es sich um übliches Stranded Knitting oder Fair Isle Knitting. Aber: Die Herren stricken die farbenfrohen Muster (freiwillig!) links. Doppelt verkehrt Welt! Männer, die links Stranded Knitting betreiben :) Sie stecken sich je ein Wollknäuel in je eine Hosentasche. Dann führen sie das Garn über Rücken und Schulter nach vorn. Damit erhält es auch ohne Zutun der Hände eine natürliche Spannung. Nun stricken sie Masche um Masche ab, mal mit dieser Farbe, mal mit jener, wie es halt das Muster verlangt. Dabei verwenden sie äusserst dünne Metallnadeln, ich hätte gesagt, eine europäisch 1,5 oder so. Diese haben vorne kleine Haken. Die Wolle (oder, immer öfter, das Acrylgarn) wird mit dem linken Daumen abgestrickt, ähnlich wie beim rechtshändigen Stricken. Das Garn seinerseits wird von den Frauen ganz eng verzwirnt. Die vielen Spinnerinnen, die man antrifft, haben meist keine Rohwolle auf der Spindel, sondern bereits gesponnene, die zu einem ganz engen Garn weiterverarbeitet wird.
Der Vorteil des linksseitigen Stranded Knitting ist, dass die Fäden sich so fast von selber auf eine schlaue Länge dehnen. Ein ähnliches System benützt eine Interweave-Userin. Oder war es Lions Brand Yarn? In einem der (vielen) Strick-Newsletter, die ich abonniert habe, werden regelmässig Leserinnentipps ausgetauscht. Diese Strickerin erklärte, immer, wenn sie beim Rundstricken zum Teil mit Stranded Knitting komme, stülpe sie das Projekt herum, und arbeite so weiter.

Ich arbeite zur Zeit an einem Paar simpler Pulswärmer, und ich habe alle drei Varianten ausprobiert. Die erste, übliche Variante (rundstricken und hoffen, die Fäden seien weder zu lang noch zu kurz) kam ganz ok raus, aber doch eher eng. Die mit dem Umstülpen war zwar etwas gewöhungsbedürftig, könnte sich aber auch für mich als gute Lösung entpuppen: Die Spannung war viel gleichmässiger und das Strickstück ist etwas weiter dehnbar an dieser Stelle. Allerdings finde ich, diese Variante eignet sich nur, wenn man das Muster nicht zu nahe am Rand anbringen will. Sonst ists etwas schwierig mit Umstülpen, so ein Schlauch dreht sich nach nur ein paar Runden immer wieder in die "normale" Position, zumindest in meinem Fall. Den zweiten Pulswärmer versuche ich nun im Estilo Taquile. Zwar ist es anfangs recht eigenartig, nur mit dem Daumen die gespannten Fäden durch die Maschen zu "werfen", aber bis jetzt wirkt das Muster ausgeglichen. Resultate folgen wie immer in Wort und Bild. Ausserdem werde ich dann noch meinen Ausflug ins Reich der Weberinnen beschreiben: Eine Quechua-Frau brachte mir auf der Strasse in Cusco bei, wie man hier Gürtel webt.

3 Kommentare:

  1. heeee absolut spannend....männer die stricken, dieses über den rücken faden muss ich auch mal probieren!!!! Und das bild von der frau mit der spindel...hammer....interessant ich muss es gleich nochmals lesen....
    liebe grüsse und danke für die tollen berichte
    lee-ann

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  2. Huhu, das ist ein total interessanter Bericht. Mußte dann auch gleich runterscrollen und die älteren Posts lesen. Viel Freude bei Deiner Reise.

    LG von Jule

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  3. Danke ihr Lieben! Wenn ihr mal eine Postkarte wollt, schickt mir einfach eure Adresse an meine E-mail. Liebe Grüsse!

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