Dienstag, 4. Mai 2010

Die Strickszene Quitos

Wir waren auf der Suche nach dem angesagten Frühstückslokal Fruteria Montserrate, und wir fanden (für mich) noch Nahrung ganz anderer Art: den Strickladen im Teatro Bolívar (oberes Bild)! Erst wollte ich aus zwei Gründen nicht reingehen: Ich hatte keinen Centavo auf mir und die Auslage schien mir verdächtig polyestrig. Naja, ist sie auch. Das stellte ich fest, als ich (natürlich) trotzdem reinging. Drinnen war dann noch etwas mehr und bessere Auswahl vorzufinden, aber vorallem ein Gewusel von Frauen, die gemeinsam Materialien aussuchten, Modelle anprobierten oder auf einem Stuhl mühe- und liebevoll eine neue Technik ausprobierten. Häklerinnen suchten Rat für die Hüttenfinken in Arbeit, andere warteten auf die Bedienung und arbeiteten dabei an ihren Projekten. Und ständig kamen mehr lachende Frauen zur Tür herein. (Natürlich kann der Andrang auch daran liegen, dass unter den Verkäuferinnen auch ein junger Mann auszumachen ist. Aber das ist jetzt pure Unterstellung, natürlich mit einem Augenzwinkern.) Unter all dem Acryl, Polyester und anderem Lacegarn gabs wie erwartet keine Schaf- oder Lamawolle, aber wenigstens Alpaca. Diesmal für mich in violett, denn ich habe aus Puno Perú noch ein Senfgelb, mal sehen, wie das zusammenaussieht... Auch sonst ist die Szene hier am Kochen: In gewissen Strassen reiht sich ein Wollladen an den anderen - das untere Bild ist ein zufälliger Schnappschuss (habe natürlich gefragt).

Auf meiner Reise habe ich bisher verschiedene Strickwelten angetroffen. In Südchile und -argentinien (Feuerland, Patagonien) war Stricken eine eher kunstfaserige Angelegenheit, das junge Publikum schien nicht sehr zahlreich vertreten, die Projekte machten mir eher einen konservativen Eindruck. Was selbstverständlich weder wertend gemeint noch eine vollständige Beobachtung ist. Die meisten strickten links, also wie man es in den Schweizer Schulen lernt, sogenannt German oder Continental. (Apropos Kontinent: Witzig, dass der nordeuropäische Stil in auch Amerika continental heisst, unser Kontinent ist verglichen mit den Amerikas ja nur eine kleine schwächliche Halbinsel vor Russland, höhö.) Das attraktivste Garn: grobe, handgesponnene Schafwolle, in knalligen Färbungen. Wird pro Gramm verkauft, sehr praktisch.

Die Insel Chiloé vor Puerto Montt, Chile, hat eine eigene Stricktradition. Hier werden Schafwollpullis hergestellt, die an Irland erinnern. Man kann ebenfalls dicke Schafwolle in allen Farben kaufen, dazu gibt es Nadeln so dick wie Besenstiele. Die dünnsten, die ich gefunden habe, habe ich gekauft. Sie passen in meiner Nadelmesskarte nicht durch das grösste Loch, haben also mehr als einen Zentimeter Durchmesser. Ich versuche nun damit einen Baktus mit Blattmuster zu stricken (siehe oben). Die Frauen strickten fast allesamt links, häufig lockermaschige Schals (klar, bei den Nadeln).

In den Anden habe ich auf einer Insel strickende Männer mit eigener Technik gefunden (siehe Eintrag unten) und ansonsten Frauen, die erheblich häufiger rechts stricken (spanisches Erbe?). Man sieht so gut wie nie jemanden an den zahlreichen Alpaca- und Acryl(!)-Pullis arbeiten, die in allen Ländern in den gleichen Designs verschleudert werden. Ich glaube langsam, das Zeug kommt aus einer einzigen Fabrik, die hoffentlich wenigstens in Südamerika steht. Die meisten stricken Mützen, Umhänge, Schals und so weiter. Coolstes Garn: Alpaca natürlich! Aber es wird nicht so oft angeboten. Ich habe gekauft, indem ich strickende Frauen angesprochen haben. Die haben mir dann aus ihrem Stash verkauft, selber haben sie die nötigen Kontakte für Nachschub. Wo kommt nur all die Wolle hin? (In die besagte Fabrik wahrscheinlich, und in den Export.) Viel Material, besonders die leuchtenden Farben, wurden mit Acrylgarnen ersetzt. Und Lamawolle, obwohl bei weitem nicht von schlechter Qualität, wird so gut wie nie verkauft. Anbei noch ein Beispiel einer Technik, di man im Hochland Chiles, Boliviens und Perús öfters findet: Ein unifarbiges Projekt wird mit Bommeln in Farbe aufgemotzt. Das werde ich demnächst ausprobieren - aber wohl mal nur mit ein, zwei Kontrastfarben...

Somit wird auch Ecuador verschiedene Szenen haben: Die fröhlichen Quiteñas, die mehr als Hobby stricken, treffen sich im Teatro Bolívar und suchen trendige Muster, in den Hügeln und Bergen gelten wohl die üblichen Andentraditionen, und an der warmen Küste wird vermutlich weniger gestrickt, könnte ich mir vorstellen.

Demnächst in diesem Theater: Details zum Inkastyle-Weben.

1 Kommentar:

  1. oh ich habe alles wieder verschlungen...wow das ist einfach super interessant und die bilder dazu....spannend....daaaaanke!!!!
    liebe grüsse lee-ann

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